Der Dammschnitt gehört in der westlichen Welt zu den am meisten durchgeführten chirurgischen Eingriffen. Er ist eine „absichtlich herbeigeführte Verletzung des Dammes, die aus medizinischer Sicht noch schlimmere Verletzungen verhindern soll.“ (I.M. Gaskin). Ziel war es, die Frau vor Beckenbodenproblemen, Blasen- und Darminkontinenz, sexueller Beeinträchtigung nach der Geburt und schwereren Dammverletzungen (z.B. ein Riss bis zum Anus) zu schützen.
Nach gründlicher, jahrelanger Forschung und wissenschaftlichen Untersuchungen, ist der Nutzen eines routinemäßigen Dammschnittes eindeutig widerlegt! Ganz im Gegenteil, er bringt deutlich mehr Risiken und Nachteile mit sich!
Ein Hilfsmittel ist der Dammschnitt bei einem akuten Bedrohungszustand von Mutter und Kind, in dem eine Verkürzung der Geburt um wenige Minuten (lebensgefährlicher Sauerstoffmangel, Herztonabfall usw.) eine deutliche Verbesserung der Situation bewirken würde.
Durchführung
Innerhalb der Presswehe (selten außerhalb), wenn das kindliche Köpfchen im Scheideneingang sichtbar ist und gegen den Damm der Mutter drückt (Bereich zwischen Scheide und After), wird mit der Schere ein 2-3cm langer Schnitt gesetzt, der Haut und Muskelschichten komplett durchtrennt.
Dieser Schnitt kann seitlich Richtung Oberschenkel, schräg nach unten oder direkt zum Anus gerichtet sein.
In der Regel erfolgt der Eingriff ohne Betäubung, da das Schmerzempfinden durch den enormen Druck auf das Dammgewebes während des Wehenhöhepunktes blockiert sein müsste. Der richtige Zeitpunkt des Schneidens ist hier entscheidend für die Schmerz- freiheit.
Die Wunde wird nach der vollständigen Plazentageburt noch im Kreißsaal in Lokalbetäubung genäht. Die Fäden lösen sich selbst nach etwa 10-14 Tagen, in tieferen Muskelschichten nach ca. 3 Wochen von allein auf.
Häufig kommt es zu Spannungen, Juckreiz und zum Wundscheuern im Nahtbereich, diese Beschwerden können gelindert werden (siehe unten, unter Punkt Heilung)!
Eine Kontrolle der Naht erfolgt am Tag der Entlassung aus dem Krankenhaus und bei der Nachuntersuchung beim Gynäkologen 6-8 Wochen nach der Geburt. Bei Wundheilungsstörungen und Beschwerden erfolgt eine gezielte Kontrolle durch die Hebamme oder den Arzt.
Auswirkungen eines Dammschnittes
Ein Dammschnitt verursacht oft wochen- und monatelang Schmerzen (Vergleich: eine Schramme am Finger blutet und schmerzt weniger und heilt schneller als ein Schnitt mit dem Messer). Der sogenannte „sanfte Kaiserschnitt!“ wird übrigens als besonders schonend für das mütterliche Gewebe beworben, weil bei dieser Operationsmethode weniger geschnitten, sondern mehr gerissen wird.
Ein Dammschnitt erhöht den Blutverlust.
Häufig fühlen die Frauen das Zerschneiden des Dammes (Die Väter im Kreißsaal hören es!).
Wird der Dammbereich vorher betäubt, quillt das Gewebe auf und die Rissgefahr erhöht sich zusätzlich.
Tiefere Dammrisse kommen nach dem Schnitt gleich häufig oder noch häufiger als bei einem Riss zustande (d.h. der Schnitt, der schon den kompletten Muskel durchtrennte, reißt noch weiter auf).
Beschwerden beim Geschlechtsverkehr werden nach einen Dammschnitt häufiger angegeben (vor allem, das Gefühl, der Scheideneingang sei zu eng sei; etwas würde „bremsen“, sei „unnachgiebig“). In den USA wird dieser „Effekt“ häufig sogar bewusst herbeigeführt. Dort ist der „Ehemannstich“ üblich, der die Frau sozusagen körperlich wieder zur Jungfrau macht, mit dem Unterschied, dass ein Jungfernhäutchen darauf ausgerichtet ist, sich zu dehnen und nachzugeben, eine Dammnaht/Narbe nicht!
Probleme des Beckenbodens (z.B. Gebärmuttersenkung) und Inkontinenz werden durch einen Dammschnitt nicht verhindert bzw. das Risiko wird nicht gemindert!
Ein Dammschnitt kann nur in Rückenlage durchgeführt werden, während die Frau die Luft anhält und mit aller Kraft „gegen den Schmerz presst“ (übliche Anleitung durch die Hebamme) = die Rückenlage ist sowohl für die Mutter als auch für das Kind die unangenehmste, risikoreichste und unsinnigste Gebärhaltung überhaupt (Sauerstoffsättigung wird verschlechtert, das Becken verengt, es wird gegen die Schwerkraft gearbeitet, die Frau weiß meist nicht in welche Richtung sie pressen soll…). Für Mutter und Kind ist das langsame Mitschieben und „Herausatmen“ des Babies in aufrechten Positionen die „natürlichste Art“ der Geburt (das mütterliche Gewebe wird geschont, die Frau bremst automatisch bei Schmerzen und kann somit die Rissgefahr steuern, die Sauerstoffversorgung der Gebärmutter ist deutlich besser, dadurch können stärkere Wehen gebildet werden (es muss somit nicht von oben auf den Bauch gedrückt werden, wie es immer wieder getan wird) und das Kind bekommt mehr Sauerstoff.
Die Angst, die Scheide würde sich ohne Schnitt zu sehr weiten und man wäre somit „ausgeleiert“, ist unbegründet. Die Scheide weitet sich durch die Schwangerschaft und die hormonelle Veränderung, die Geburt hat einen minimalen Einfluss. Viele Frauen berichten sogar von einem verbesserten Empfinden in der Scheide nach der Geburt und somit von einem erfüllteren Sexleben (In der Schwangerschaft werden neue Nervenverbindungen geknüpft, das Gewebe wird dadurch empfindlicher. Auch sind die Frauen nach dem Gebären im eigenen Rhythmus oftmals selbstbewusster und körperlich freier.).
Eine „reine Geburt“ ohne Eingriffe, ist die preiswerteste für die Krankenkasse,
jeder (chirurgische) Eingriff wird zusätzlich vergütet und erhöht somit die finanziellen Einnahmen des Krankenhauses.
Jeder Schmerz, jede Bewegungsbeeinträchtigung nach der Geburt erschwert die Kontaktaufnahme, das Versorgen und Stillen des Kindes!
Hinweise
Bei der Vorstellung im Kreißsaal einige Wochen vor der Geburt sollte man die eigenen Wünsche zum Thema Dammschnitt ansprechen und schriftlich vermerken lassen. Da der Schnitt aus juristischer Sicht "ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit" bzw. eine Körperverletzung ist, muss die Schwangere vorher aufgeklärt werden und zustimmen.
Bei der Aufnahme im Kreißsaal hat es sich bewährt direkt mit der betreuenden Hebamme über dieses Thema zu sprechen. Wer von Angesicht zu Angesicht deutlich macht, wie wichtig der Damm-SCHUTZ ist und welche Maßnahmen man zur Vorbereitung ergriffen hat (Massage, Sitz- oder Dampfbäder, Akupunktur...), kann in der Regel auf eine gute Zusammenarbeit hoffen.
In früheren Zeiten galt ein unverletzter Damm als Qualitätsmerkmal für die Hebammenkunst. Auch heute streben dies viele Hebammen an, müssen sich aber den jeweiligen Kliniksstandards unterordnen und oftmals "vorsorglich" schneiden. Der Wunsch der Gebärenden hat jedoch Vorrang und muss befolgt werden, daher sollte er eindeutig formuliert werden.
Hat man diese Vereinbarung getroffen und es sollte im Ernstfall doch ein Dammschnitt notwendig sein, lebt und heilt es sich meist besser mit dem Wissen, dass die gezielte Verletzung tatsächlich gerechtfertigt war und dem Schutz von Mutter und Kind diente und nicht aus Routine heraus durchgeführt wurde.
Vergleich
Die Dammschnittrate bei außerklinischen Geburten (inklusive der in die Klinik verlegten vaginalen Geburten) liegt bei unter 6%, die Rissrate bei Verzicht auf einen Schnitt ist dennoch nicht erhöht
(Quelle: "Zu Hause und im Geburtshaus", Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe)
Die Dammschnittrate im Krankenhaus schwankt von Klinik zu Klinik.
Noch vor weniger als 30 Jahren wurde bei 90% der Erstgebärenden ein "prophylaktischer Dammschnitt" durchgeführt und galt als medizinisch gerechtfertigt.
Heilung
Durch verschiedene Maßnahmen vor allem aus dem naturheilkundlichen Bereich (Spülungen, Salben, nach etwa 2 Wochen auch Sitzbäder) können die Wundheilung verbessert und die Schmerzintensität deutlich reduziert werden.
Eine gezielte Narbenbehandlung bzw. Narbenentstörung bei Beschwerden ist möglich, kann jedoch erst durchgeführt werden, wenn die Frau körperlich und psychisch tatsächlich bereit dazu ist. Auch noch Jahre nach der Geburt ist dieser Weg sinnvoll und heilsam.
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